Tagsüber Schönwettertouren und Theorie-Druckbetankung am Abend

Ein Erlebnisbericht vom Prüfungslehrgang Bergwanderleiter*in

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Vom 15. Juni bis zum 22. Juni 2019 fand im Solsteinhaus im Karwendelgebirge in Österreich der diesjährige Ausbildungs- und Prüfungslehrgang zum*zur Bergwanderleiter*in statt. Christian Stoelzl von den NaturFreunden München-Neuaubing war dabei und berichtet:

Am Samstag, den 15. Juni 2019 trafen sich 12 NaturFreund*innen erwartungsvoll am Bahnhof Hochzirl oberhalb von Innsbruck, um den diesjährigen Prüfungslehrgang zum*zur Bergwanderleiter*in auf dem Solsteinhaus im westlichen Karwendelgebirge zu absolvieren. Die gutgelaunte Truppe war bunt gemischt und die Teilnehmer*innen kamen aus den verschiedensten Landesverbänden bzw. der Bundesgruppe, lediglich die Ortsgruppe Holzgerlingen/Altdorf sollte mit vier angehenden Bergwanderleiter*innen während der kommenden Woche für eine leichte Tendenz zum schwäbischen Dialekt sorgen.

Schon beim Aufstieg zur Hütte, der zum Kennenlernen und für einen ersten Gedankenaustausch genutzt wurde, meinte es das Wetter ausgesprochen gut. Bei schwülwarmen Temperaturen war wohl jede*r insgeheim froh darüber, dass der Gepäcktransport auf die Hütte perfekt organisiert und nur ein leichter Tagesrucksack zu tragen war.

Die Tagestouren werden von den Teilnehmenden geführt
Am nächsten Morgen startete bereits die erste Wandertour zur Eppzirler Scharte. Das Konzept der beiden Ausbilder aus dem Bundeslehrteam, Werner Kugler und Wolfgang Spindler, überzeugte dabei, denn bereits diese Tour und jede der noch folgenden wurden von zwei bis drei Lehrgangsteilnehmenden geführt. Unterwegs konnten Werner und Wolfgang dann realitätsnah die praktischen Ausbildungsinhalte wie Auf- und Abstieg im Geröll, im Schrofengelände, an ausgesetzten Stellen oder im Firn vermitteln. Auch die „Soft Skills“ einer Bergwanderleiterin und eines Bergwanderleiters, die eher psychologischen Themen wie Führungsstil und Kommunikation auf Touren, wurden so fast nebenbei, aber trotzdem ständig begleitend den Teilnehmer*innen näher gebracht. An den weiteren Tagen führte der Weg auf die Erlspitze, den Großen Solstein, die Kuhlochspitze und zuletzt vom Solsteinhaus über den Zirler Schützensteig hinüber zur Neuen Magdeburger Hütte. Der Schwierigkeitsgrad und der Charakter der Ausbildungstouren waren vollkommen unterschiedlich. So war der Anstieg zur Kuhlochspitze mit vielen, noch sehr ausgedehnten Altschneefeldern im steileren Gelände durchaus herausfordernd, so dass auch einige Fixseile gelegt werden mussten. Beim gemütlichen Bergpfad auf den Großen Solstein war dagegen bereits eine wunderschöne und vielfältige Alpenflora zu bewundern. Zwischen 400 und 850 Höhenmeter waren auf den einzelnen Touren jeweils zu bewältigen. Das Tempo war dabei, bedingt durch die Pausen für die Ausbildungsinhalte, immer moderat.

Am Abend des zweiten Ausbildungstags wurde es dann ernst, als eine der Teilnehmerinnen wegen einer plötzlich auftretenden Erkrankung mit dem Hubschrauber ins Tal gebracht werden musste. Im Nachhinein betrachtet war es jedoch die absolut richtige Entscheidung. Die fürsorgliche Betreuung vor dem Abtransport durch einige aus der Gruppe und das unaufgeregte, sichere Handeln der beiden Lehrgangsleiter waren dabei vorbildlich und auch eine Demonstration für das richtige Verhalten in einem Notfall am Berg. Die Erleichterung am nächsten Tag war natürlich groß, als die Nachricht aus dem Krankenhaus eintraf, dass das Schlimmste überstanden sei.

Auch die Theorie kam nicht zu kurz
Die Wetterbedingungen waren für die Kursdurchführung weiterhin optimal (kein einziger Regentag in einer Juniwoche ist wirklich ungewöhnlich, der Klimawandel lässt grüßen!), was nun zwar den Vorteil hatte, dass der Tourenanteil durchaus höher war als bei den Ausbildungskursen der vergangenen Jahre, jedoch auch den Umstand mit sich brachte, dass die Zeit für den Theorieunterricht fast davonzulaufen drohte. So waren auch die Stunden vor und nach dem Abendessen meist gut ausgefüllt mit intensiven „Theorie-Druckbetankungen“ durch Werner und Wolfgang in Sachen Wetterkunde, Orientierung, spezifische Erste Hilfe im Gebirge, rechtliche Fragen für Tourenleiter*innen und vieles mehr. Insbesondere die Meteorologie und die Orientierungskunde (ganz klassisch mit Karte, Kompass und Höhenmesser, um auch bei leeren Batterien im GPS-Gerät noch sattelfest zu sein) sorgten für viele fragende Gesichter. Letzten Endes kannten jedoch alle die Unterschiede zwischen Cirrus-, Cumulus- und Stratuswolken und konnten mit AV-Karte und Bussole zur Positionsbestimmung sowohl vorwärts wie rückwärts einschneiden und seitwärts abschneiden (wer jetzt an sein Taschenmesser denkt, dem sei dieser Kurs ans Herz gelegt).

Jede*r durfte auch die eigenen didaktischen Fähigkeiten anhand eines kurzen Vortrags während der Tour oder abends auf der Hütte unter Beweis stellen. Die vielfältige Themenauswahl aus den Bereichen Bergsport, Naturkunde und Kultur war mit der Lehrgangseinladung auf Informationskarten vorab verteilt worden.

Der Freitag war dann ausgefüllt mit den letzten Unterrichtseinheiten und daran anschließend der praktischen Prüfung in Form von Lehrdemonstrationen sowie der Theorieprüfung. In beiden Prüfungsteilen lag die Erfolgsquote bei 100 Prozent, so dass nun 11 frisch gebackene Bergwanderleiter*innen in den Ortsgruppen aktiv werden können.

Auch die Unterkunft auf dem Solsteinhaus ist absolut erwähnenswert: Herrlich gelegen auf dem Erlsattel, mit allen Wander- und Ausbildungsmöglichkeiten in der Umgebung versehen, überaus freundliche Wirtsleute und ein ausgezeichnetes Essen. Was will man mehr?

Im nächsten Jahr sieht man sich wieder beim Klettersteiglehrgang
Es war ein wirklich lohnenswerter Kurs mit vielfältigen und ausgesprochen interessanten Inhalten, die von den beiden Ausbildern souverän, mit viel Gespür für die unterschiedlichen Charaktere in der Gruppe, mit großem Fachwissen und hervorragendem Engagement vermittelt wurden. Die Chemie im ganzen Team stimmte trotz aller Gruppendynamik und den Teilnehmenden hat es so viel Spaß gemacht, dass die meisten bereits ihr großes Interesse am Klettersteigaufbaulehrgang bekundet haben. Wohl einerseits, um zum*zur Trainer*in C – Bergwandern „befördert“ zu werden, andererseits aber – und das ist sicher die noch viel größere Motivation – um eine weitere Variante des Bergsports hinzuzulernen und nochmals einen so ausgezeichneten Lehrgang zu erleben. Das Bundeslehrteam ist hier also gefragt!

Christian Stoelzl
NaturFreunde München-Neuaubing

Weitere Bilder

Bergwanderleiter im Karwendel 2019

Bergwanderleiter*in 2019
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Bergwanderleiter*in 2019
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Solsteinhaus Karwendel
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