Die Corona-Krise ist auch eine Chance für den nachhaltigen Tourismus

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Ein außergewöhnlicher Sommer liegt hinter uns. Das Corona-Virus hat Urlaubspläne durchkreuzt und der Tourismuswirtschaft zugesetzt. Die Angst vor Ansteckung ist immer noch groß und die Reisefreiheit nach wie vor eingeschränkt. Corona hat die Reisegewohnheiten verändert und ganz langsam kommt der Tourismus wieder in Schwung, nur: Wohin wird die Reise gehen? Zurück in alte Muster mit den bekannten negativen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen? Oder in eine nachhaltige Zukunft im Sinne der Agenda 2030 der Vereinten Nationen, die allen Menschen ein gutes Leben ermöglichen soll?

„Reisen wird – zumindest kurzfristig – als Luxusgut wieder höhere Wertschätzung erfahren“, glaubt Petra Thomas, Geschäftsführerin des forum anders reisen. Deshalb würden sich Tourist*innenen auch „wertschätzender gegenüber den Menschen in den Destinationen und der Natur verhalten“. Dadurch rücke die Qualität eines touristischen Angebotes stärker in den Blickpunkt – alles Aspekte, die einen nachhaltigen Tourismus ausmachten.

Das steigende Bewusstsein für qualitätsvolles Reisen sei wichtig, doch es brauche auch entsprechende Rahmenbedingungen, um den Tourismus nachhaltig zu machen. Hier seien die Regierungen gefordert, betont Antje Monshausen, Referentin für Tourismus und Entwicklung bei Tourism Watch: „Im Kontext von Konjunkturprogrammen sind sie diejenigen, die auch Pflichten für die Unternehmen formulieren können, wenn diese Steuermittel in Anspruch nehmen.“ Also öffentliche Gelder an nachhaltige Kriterien binden. Und es müsse endlich Kostenwahrheit herrschen, dass also die negativen ökologischen und sozialen Auswir-kungen des Tourismus eingepreist werden. Zum Beispiel müsse Kerosin endlich besteuert werden.

In der Corona-Pandemie zeigt sich auch, wie Benachteiligung und Armut zu einer stärkeren Betroffenheit der Menschen führen. „Sowohl die gesundheitlichen als auch die wirtschaftlichen Auswirkungen werden im Globalen Süden wie unter einem Brennglas verstärkt“, sagt Monshausen. Es fehlten die nötigen finanziellen Kapazitäten, um die Wirtschafts- und Gesundheitssysteme zu sichern. „Dazu kommt, dass die Hälfte der Menschen im Tourismus im informellen Sektor arbeitet, ohne jegliche finanzielle und soziale Absicherung.“

Claudia Mitteneder, Geschäftsführerin des Studienkreis für Tourismus und Entwicklung, sieht einen sozialverantwortlichen Tourismus als Hebel, um diese globalen Ungerechtigkeiten zu mindern: „Ich denke schon, dass die Lehren aus der Krise für eine Ausweitung der sozialverantwortlichen und damit nachhaltigen Angebote führen können.“ Denn der Tourismus sei in vielen Regionen der Welt ein wichtiges wirtschaftliches Standbein und könne auch aus entwicklungspolitischer Sicht in Ländern des Globalen Südens einen Beitrag leisten, um den Wohlstand und die Lebensqualität zu steigern – sofern er ökologisch, wirtschaftlich und sozial verträglich entwickelt werde.

Claudia Mitteneder: „Wie die Krise zeigt, ist es wichtig, dass der Tourismus eine – aber nicht die einzige – zusätzliche Einkommensquelle wird. Und dies gilt nicht nur für die Länder im Globalen Süden. Wir vom Studienkreis schauen bei der Frage eines sozialverantwortlichen Tourismus nicht nur auf Destinationen jenseits unserer europäischen Grenzen. Auch der Inlandstourismus weist in dieser Hinsicht einige Mängel auf: Stichwort Mindestlohn oder Arbeitnehmervertretungen.“

Petra Thomas sieht auch die Tourismuswirtschaft selbst in der Verantwortung: „Aktuell sehen wir deutlich, dass unser Geschäftsmodell im Tourismus in Krisenzeiten existenzgefährdend ist. Wir müssen daher am Geschäftsmodell etwas ändern!“ Die zentrale Frage müsse lauten: Wie viel Geld bleibt in der Destination. „Aber auch: Wie viel Geld bleibt beim Veranstalter, damit auch er sicher durch eine Krise kommt.“

Es braucht also neue Perspektiven für den Tourismus. Der Wegweiser dafür muss die Agenda 2030 mit ihren 17 Nachhaltigkeitszielen sein.

Cornelia Kühhas
NaturFreunde Internationale