Der tiefe Fall in eine entpolitisierte Republik

Die Entleerung des Politischen ist eine Ursache für den gesellschaftlichen Stillstand

Der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Deutschlands Michael Müller mahnt, dass unabhängig von der schwierigen Koalitionsbildung nach der Bundestagswahl endlich ein echter politischer Diskurs über die Herausforderungen unserer Zeit, die Ursachen der Krisen und mögliche Alternativen beginnt. Michael Müller:

Die Politik hat in unschöner Regelmäßigkeit die Schuldenkrise, die Eurokrise oder die Wirtschaftskrise für beendet erklärt. Und schon war eine Neue da – von der wachsenden sozialen Ungleichheit und dem auf uns zukommenden Klimawandel gar nicht zu reden.

Die Herausforderungen werden immer größer, können aber nicht mehr mit den Antworten der Vergangenheit bewältigt werden. Die Handlungsfähigkeit des Nationalstaates in der globalisierten Welt ist massiv eingeschränkt, die Zeiten des hohen Wachstums sind vorbei. Wie aber sieht eine nachhaltige Entwicklung in der Postwachstumszeit aus? Die Herausforderungen unserer Zeit sind viel zu ernst, als dass man sich dieser Debatte ernsthaft verweigern dürfte.

Die Bundestagswahl ist so ausgegangen, wie es nur in einem Land möglich ist, dessen politischer Diskurs inhaltlich weitgehend entleert ist. Wir erleben den tiefen Fall in eine entpolitisierte Republik. Die Bundeskanzlerin vermittelt Wellness; alles weich, sich fallen lassen, nichts tun. Das ist ihr Erfolgsrezept. Und die Oppositionsparteien setzen wenig dagegen. Ihnen geht es erstens um die Schuldfrage und zweitens um die Entscheidung, ob nun mit der Union koaliert werden soll.

Die Gesellschaft braucht eine sozialökologische Transformation
Eine Erfolgsbedingung von Frau Merkel ist, dass die Opposition keine klare Alternative zu ihrem Regierungshandeln darstellt. Dabei ist es mehr als offensichtlich, dass sich die Gesellschaft sozialökologisch transformieren muss, um in einer grundlegend veränderten Welt zukunftsfähig zu bleiben. Die Opposition sollte diese Alternative nun schärfen und ihre Notwendigkeit kommunizieren. Doch stattdessen werden entweder – wie in der SPD-Bundestagsfraktion – die alten Verhältnisse wieder hergestellt oder – wie bei den Grünen – führende Vertreter des linken Parteiflügels als Schuldige in die Wüste geschickt. Beides überzeugt nicht.

Die politische Gestaltungsfrage ist mehr als ein Koalitionspoker
Die NaturFreunde Deutschlands fordern: Macht endlich Politik, die auf der Höhe unserer Zeit ist. Ganz so, wie der NaturFreund Willy Brandt dies in seiner Abschiedsrede gefordert hatte: Jede Zeit braucht ihre Antwort, und nichts kommt von selbst. Probleme werden nicht dadurch gelöst, dass die politische Gestaltungsfrage auf ein Koalitionspoker reduziert wird.

Es muss endlich zu einer Verbindung von sozialer und ökologischer Politik kommen. Insofern war es kein Fehler, dass Jürgen Trittin auch an die Verteilungsfrage ran wollte. Allerdings war diese Politik nur blassgrün. Und in der SPD fehlt bis heute eine Politik, die die Idee der Nachhaltigkeit konkretisiert.

Die Herausforderungen unserer Zeit lassen es einfach nicht zu, dass erst  in dreieinhalb Jahren Alternativen aufgezeigt werden. Was Nachhaltigkeit heißt, muss jetzt klar dargestellt werden. Diese Forderung richtet sich auch an die Linke. Der Dialog muss in aller Offenheit und Breite geführt werden. Dann kann es in Deutschland auch eine echte Reformbewegung geben, die unser Land dringend braucht.
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