"Wir müssen die 'kapitalistische Weltrevolution' stoppen"

Rede vom NaturFreunde-Bundesvorsitzenden Michael Müller zum Auftakt der TTIP-Demo am 10. Oktober in Berlin

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Wir sind bei der großen TTIP-Demo, weil wir Nein sagen zu den Freihandelsabkommen CETA, TTIP und TiSA. Wir sind hier, weil wir unsere Zukunft nicht den Märkten überlassen dürfen, sondern die Demokratie stärken wollen.

Die Abkommen sind ein Angriff auf die Demokratie. Sie nehmen die Demokratie in Geiselhaft der Märkte. Wir wollen aber keine Marktgesellschaft. Doch die Freihandelsabkommen sind eine Fortsetzung der verhängnisvollen Ideologie der Deregulierung, die in die Finanzkrise von 2008 geführt hat.

Unsere Kritik richtet sich nicht nur gegen einzelne Punkte der Abkommen. Sie sind falsch und haben auch nichts mit Freihandel zu tun. Es geht um eine Machtpolitik im Interesse der Banken und Konzerne, ideologisch begründet von Experten, die auch den Finanzkapitalismus zu verantworten haben. Nach Max Weber sind das die Fachleute ohne Hirn und ohne Herz.

Wir lehnen CETA, TTIP und TiSA vor allem aus folgenden Gründen ab:

  1. Wir wollen keine Wirtschafts-NATO.
    Die westliche Gemeinschaft muss auf Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie aufbauen, aber nicht auf einer „marktkonformen Demokratie“, wie TTIP es will.
  2. Wir wollen nicht, dass die Kräfteverhältnisse in unserem Land noch weiter zulasten der Demokratie verschoben werden.
    Wir wollen keine privatisierte Republik. Wir kämpfen für die demokratische Republik.
  3. Die Abkommen hebeln die nationale Souveränität aus.
    Die vorgesehene „regulatorische Harmonisierung“ öffnet Sozial- und Umweltdumping Tür und Tor. Bessere Gesetze würden leerlaufen, denn sie blieben für multinationale Konzerne bedeutungslos.
  4. Wir wollen keine Ausplünderung öffentlicher Dienstleistungen.
    Sie bleiben eine unverzichtbare Voraussetzung für Chancengleichheit und soziale Demokratie.
  5. Wir wollen keine Paralleljustiz für internationale Konzerne.
    Wir kämpfen für die Souveränität der Justiz und der Parlamente.
  6. Wir wollen keinen neuen Kolonialismus.
    Wir wollen keine Abkommen, die Entwicklungs- und Schwellenländer an den Rand drücken.

Wir sind hier, weil wir eine nachhaltige Welt wollen. Wir wollen nicht länger zusehen, dass in den letzten zwei Jahrzehnten nicht die Idee der Nachhaltigkeit, sondern der Finanzkapitalismus und die Deregulierung zum Weltmodell aufgestiegen sind.

Die Politik versagt. TTIP ist keine Brücke in die Zukunft, wie die CDU behauptet. Und der Bundeswirtschaftsminister ist zugleich für und gegen die Freihandelsabkommen. In großen Anzeigen nennt Sigmar Gabriel rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen. Aber sie sind längst überschritten. Wir fordern Bundestag und Bundesregierung auf, die Selbstentmachtung der Politik zu beenden.

Wir müssen die „kapitalistische Weltrevolution“ stoppen, wie der Schriftsteller Montalban die Herrschaft der Börsen und Banken, der Märkte und Unternehmen nannte. Denn wir entscheiden, ob das 21. Jahrhundert ein Jahrhundert neuer Gewalt, erbitterter Verteilungskämpfe und sozialer Ausgrenzung wird. Oder ob es ein Jahrhundert der Nachhaltigkeit mit mehr Demokratie, mehr sozialer Gerechtigkeit und mehr Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen wird.

Wir wollen eine faire, gerechte und solidarische Welt – eine Welt der Nachhaltigkeit. Dafür sind wir hier.

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