Rede von Arno Enzmann, stellvertretender Landesvorsitzender der NaturFreunde Hessen, zur #StopCetaTTIP-Demo am 17.9.2016 in Frankfurt
Ich glaube wohl zu der älteren Generation hier auf diesem Platz zu gehören. Ich erinnere mich noch sehr gut an ein Wort aus dem Beginn der Entspannungspolitik am Ende der 60er-Jahre: Wandel durch Annäherung.
Auch als dieses Wort weiter entwickelt wurde – es hieß jetzt: Wandel durch Handel –, wurden wir noch nicht misstrauisch. Was soll daran schon schlecht sein, wenn weniger entwickelte Staaten und ihre Bevölkerung Zugang zu den Segnungen des damaligen Wirtschaftswunders erhält? Wir glaubten ziemlich naiv, es könne doch nur aufwärts gehen. Und zwar für alle.
Nun, heute müssen wir die bittere Erfahrung machen, dass mehr und mehr die Gross-und Weltkonzerne mit Hilfe des Handels die Welt nach ihren Bedürfnissen gestalten, die Politik sich mehr oder weniger freiwillig in die Rolle des Handlangers begibt und dazu noch uns glauben machen will, man könne dies steuern.
TTIP/CETA - Arno Enzmann - Youtube.com
Liebe Freunde, das ist der vergebliche Versuch des Schwanzes mit dem Hund zu wedeln.
Glaubt denn die Politik wirklich Toyota, General Electric, Nestle, BASF, General Motors, VW, oder gar Bayer soziale Regeln verordnen zu können? Die Erdölkonzerne, die mit Hilfe von Fracking und Ölsandgewinnung den letzten Tropfen Öl aus dem Boden quetschen. American Fruit, die für den Umsturz in Chile verantwortlich sind. Die Energieriesen, Veolia, Proctor and Gamble in ihrem Wachstumswahn. Man kann die Reihe weiter fortsetzen.Notfalls muss die bewährte Drohung des Verlustes von Arbeitsplätzen her halten.
Es gäbe ja schon unzählige Handelsabkommen mit vielen Staaten, die allen Vorteile gebracht hätten, so hört man von der Politik.
Hören wir eine Stimme aus Afrika: "Wir werden erpresst", sagt der Exporteur Silvanas Kimanzi. „Wir sollen Druck, so will es die EU, auf unsere Regierung ausüben, ein Handelsabkommen mit der EU zu unterschreiben, wenn nicht, wird die EU die Zölle erhöhen. Ich glaube jedoch nicht, dass unsere Wirtschaftskraft ausreicht, um uns auf dem europäischen Markt durchzusetzen.“
Ist das etwa gleiche Augenhöhe?
Dann fragen wir den ugandischen Hühnerzüchter, der sein ganzes Huhn nicht mehr verkaufen kann, weil der Markt mit subventionierten Hühnerteilen aus Europa überschwemmt wird und er nicht mehr konkurrenzfähig ist, weil sich die ärmeren Bevölkerungsschichten ein ganzes Huhn nicht mehr leisten können. Seine Existenz geht den Bach runter.
Fragen wir den kenianischen Fischer, der am Victoriasee seine Existenz verloren hat, weil die Nilbarsche im Auftrag von Lebensmittelkonzernen großflächig gefangen und an europäische Restaurants verscherbelt werden.
So weit zu Afrika. All das geschieht mit Hilfe von Handelsabkommen. Ist das Zusammenarbeit, die WIR wollen?
Oder die letzte Nachricht: Der Chemieriese Bayer hat den Chemieriesen Monsanto gekauft. Damit werden Millionen Kleinbauern gezwungen sein, Saatgut, Dünger, Unkrautvernichter und neuerdings auch Wetter- und Klimadaten an einer einzigen Adresse zu kaufen. Die Bauern werden sich in die absolute Abhängigkeit von Bayer begeben.
Haben Bayer und Monsanto zu diesem Ziel ein Handelsabkommen gebraucht? Mitnichten.
Wir hören immer wieder Rücktrittsforderungen an einzelne Politiker. Das ist, glaube ich, nicht sehr zielführend. Wir müssen antreten gegen ein ganzes System aus Wirtschaft und Politik, deren Kontrolle uns zunehmend aus der Hand genommen wird. Deshalb lasst uns alle Kräfte bündeln, um gemeinsam Widerstand zu entwickeln. Ob das in Verbänden, Kirchen, Gewerkschaften oder Parteien geschieht, ist gleichgültig. Wir müssen uns wieder um die Macht von unten bemühen. Wir müssen uns diesem Globalisierungswahn stellen und Alternativen entwickeln.
Und es hat ja zu allen Zeiten globalen Handel gegeben. Wer von uns ist nicht froh darüber, dass Marco Polo die Pasta nach Europa gebracht hat, die uns so manch netten Abend bei unserem Italiener beschert haben.
Aber müssen wir deshalb gleich die Konzerne, die Wirtschaftsriesen mit Werkzeugen, sprich Handelsabkommen ausstatten, deren Wirkungen durch uns, das Volk und seine Regierungen nicht mehr beherrschbar sind?
Stellt euch doch wirklich die reale Wirtschaftsmacht von Kanada, den USA und der EU auf einer Weltkarte vor:
Kanada, die USA und die europäische Union würden durch CETA und TTIP einen Handelsgiganten bilden, der weltweit seine eigenen Regeln und Gesetze schafft und sie auch rücksichtslos durchsetzt.
Was kann ich zum besten Preis überall verkaufen, das wird ihre einzige Maxime sein.
Ähnliches spielt sich in Asien ab. Wer bleibt in diesem Rennen auf der Strecke? Wer gehört zu den Verlierern?
Es wird keine Spaltung in Nationen, Regionen und Staaten geben, nur eine noch größere Trennung in Arm und Reich.
Diese Handelsabkommen sind in ihrer Wirkung Brandbeschleuniger einer immer tiefer greifenden Abhängigkeit und Ausbeutung der 3. Welt. Sie vertiefen die Spaltung und Ungleichheit des armen Südens gegenüber dem reichen Norden.
Sie sind Brandbeschleuniger beim Abbau sozialer und humaner Regeln für alle, die in den entwickelten Staaten leben. Deren Arbeitnehmerrechte und der Verbraucherschutz werden zu Handelshemmnissen degradiert.
Und sie sind Brandbeschleuniger in der Zerstörung der natürlichen Resourcen in dieser einen Welt, die wir als Lebensraum haben. Damit steht die Zukunft unserer Kinder und Enkel auf dem Spiel. Dies können wir nicht hinnehmen.
DAMIT VERSPIELEN WIR ENDGÜLTIG DIE CHANCE AUF EINE WELTWEITE ENTWICKLUNG, DIE KRIEGE VERHINDERT, DEN HUNGER BESEITIGT, DIE FLUCHTURSACHEN VERMEIDET UND DIE SOLIDARITÄT DER VÖLKER FÖRDERT
Ich will nicht versäumen und mit einem positiven Ausblick meinen Beitrag zu beenden:
DGB, Umweltverbände, Kirchen und weitere Organisationen hatten vor einiger Zeit eine Konferenz, um Richtschnüre einer Sozialen Transformationsdebatte zu beginnen.
Das Fazit: Was wir brauchen, ist ein neuer Gesellschaftsvertrag. Wir alle sind aufgerufen uns dafür einzubringen und diese Debatte fort zu führen. Eure Kompetenz, eure Erfahrung, eure Kraft, eure Spontanität muss zum Patronat der realen Politik werden.
Vorwärts und nicht vergessen, worin unsere Stärke besteht.
Mit dem traditionellen Gruß der NaturFreunde-Bewegung: Berg frei!