Ein neues EEG mit alten Macken

Zwar verspricht die Politik mehr Tempo beim Klimaschutz, handelt aber falsch

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„Großbritannien soll das „Saudi-Arabien der Windenergie“ werden. Mit diesen Worten kündigte der britische Premierminister Boris Johnson Anfang Oktober eine „grüne industrielle Revolution“ an. Großbritannien solle Weltmarktführer für grüne Energie werden, so Johnson, Klimaschutz dürfe kein weiteres Opfer des Coronavirus werden. Ähnlich pathetisch klang der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Der forderte eine „Charta für die Rettung des Klimas“. Klimaschutz sei „die zentrale und vorrangige Aufgabe unserer Generation“, so Altmaier.

Allein: Es sind Worthülsen, denen keine Taten folgen. Im vierten Jahr hintereinander brach 2020 der Ausbau der Windenergie in der Bundesrepublik dramatisch ein. In den ersten drei Quartalen wurden lediglich 306 neue Windräder mit einer Leistung von 1.104 Megawatt in Betrieb genommenen. Das Umweltbundesamt kommentierte: „Der Zubau neuer Windkraftanlagen an Land bleibt [...] ungefähr auf dem niedrigen Niveau des zweiten Halbjahrs 2019 – und damit deutlich unter dem angestrebten Ausbaupfad.“ Zum Vergleich: 2017 lag der Jahres-Neubau noch sechsmal so hoch, damals wurden in zwölf Monaten 6.580 Megawatt installiert.

Wirtschaftplan oder Planwirtschaft?

Der Einbruch liegt an einer Systemumstellung, die Peter Altmaier eingeführt hat. Ursprünglich bekam jeder, der ein Windrad aufstellen wollte, für den eingespeisten Strom einen kalkulierbaren Preis. Finanziert wurde dieser über die EEG-Umlage, die vor 20 Jahren von Vordenker*innen wie Hermann Scheer und Michaele Hustedt erdacht und von der damaligen rot-grünen Regierung eingeführt worden war. Für Leute wie Altmaier ist das aber „Planwirtschaft“. Und die gehört gefälligst abgeschafft.

Schließlich klingt „Planwirtschaft“ nach DDR und Sozialismus. Statt also über solch eine Umlage – alle beteiligen sich am grünen Umbau der Stromversorgung – wird die Windkraft jetzt über eine Ausschreibung vorangetrieben: Die Regierung veröffentlicht einen Plan, wo wie viele Windräder aufgestellt werden sollen und fordert Interessent*innen auf, für den Bau einen Preis zu benennen. Wer die geringsten Kosten prophezeit, erhält den Zuschlag. Als ob das keine „Planwirtschaft“ ist. Um solch ein Angebot zum Bau eines Windparks abgeben zu können, ist viel Planungsarbeit notwendig. Gewinnt dann ein*e andere*r Bieter*in den Zuschlag, ist der Planungsaufwand futsch – oft ein sechsstelliger Betrag. Bürgerenergiegenossenschaften, die bislang den Ausbau der Windenergie an Land maßgeblich vorangetrieben haben, können solch ein Risiko nicht eingehen. Kaum verwunderlich ist deshalb, dass die Regierung bei ihren Ausschreibungen längst nicht so viele Angebote bekommt, wie sie haben möchte: Es gibt zu wenige Investor*innen, weshalb nach dem Ausschreibungsmodell zu wenige Windräder gebaut werden.

Ein Blick nach Großbritannien

Interessant ist der Vergleich mit Großbritannien: Vor zehn Jahren galt im Vereinigten Königreich genau das Ausschreibungs-System für den Ausbau der Erneuerbaren. Die Zahlen belegen, dass es nicht funktionierte: Anfang 2012 waren in Großbritannien gerade einmal Windräder mit einer Leistung von 6.000 Megawatt installiert, in Deutschland arbeiteten dagegen längst Anlagen mit mehr als 29.000 Megawatt. Deshalb änderte die britische Regierung ihre Politik und führte eine Umlage nach deutschem Vorbild ein. Seitdem boomt die Windkraft in Großbritannien, die installierte Leistung hat sich fast vervierfacht.

Statt nun zum ursprünglich deutschen Umlagemodell zurück zu kehren, hält Bundeswirtschaftsminister Altmaier an der verhunzten Ausschreibungspraxis fest: Im Bundestag wird derzeit um die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gerungen, zum 1. Januar soll das neue Gesetz in Kraft treten. Der Entwurf gibt das Ziel aus, im Jahr 2030 dann 65 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien zu produzieren. Klaus Mindrup, Umweltpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion, urteilt, der Gesetzentwurf sei „gut gemeint, aber katastrophal gemacht“. Deshalb haben die Fachpolitiker*innen der SPD der Union einen Gegenentwurf vorgelegt. Zwar sieht auch der keine Rückkehr zur EEG-Umlage vor. Die SPD will den Ausbau der Erneuerbaren aber über die Einnahmen aus dem nationalen Emissionshandel finanzieren sowie über eine Erhöhung der Stromsteuer. Und sie will endlich klimaschädliche Subventionen abschaffen. Bis Redaktionsschluss dauerte der Koalitionsstreit an.

Nick Reimer