Regierungsberater fordern mehr Klimaschutz

Sachverständigenrat für Umweltfragen zeigt Kluft zwischen Wissen und Handeln auf

Im Mai hat der „Sachverständigenrat für Umweltfragen“ sein Umweltgutachten 2020 vorgelegt. Auch wenn das Gutachten vor Ausbruch der Corona-Pandemie erstellt worden war, geben die Regierungsberater*innen eine unmissverständliche Empfehlung ab: Keinesfalls dürfe zum Zustand der Umweltpolitik in Vor-Corona-Zeiten zurückgekehrt werden.

Klimawandel und Biodiversitätsverlust hätten aktuell im politischen Alltagsgeschäft an Beachtung verloren, doch das ändere nichts an der langfristigen Bedrohung der ökologischen Lebensgrundlagen. Von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft fordern die Regierungsberater*innen, den wirtschaftlichen Neustart nach der Corona-Pandemie dazu zu nutzen, um die Weichen in Richtung „ökologischer Transformation“ zu stellen.

Nach Einschätzung der Gutachter*innen ist der „Green Deal“ bisher nur ein Fahrplan, der eine umfangreiche Anzahl von einzelnen Initiativen ankündigt. Im Europa-Kapitel wird unter dem Punkt Den European Green Deal mit Leben füllen darauf verwiesen, dass es Aspekte gibt, die bislang nicht ausreichend widergespiegelt werden. So stellen die Sachverständigen fest, dass der im Green Deal vorgeschlagene Weg zur ökologischen Modernisierung allein nicht mehr ausreicht, um die Nachhaltigkeitsziele der UNO zu erreichen. „Das Wirtschaften innerhalb der Belastungsgrenzen unseres Planeten“, so das Fazit der Gutachter*innen, „erfordert sehr weitreichende Verminderungen der Ressourceninanspruchnahme, der Schadstoffemissionen und der Treibhausgasemissionen.“

Deshalb fordern die Sachverständigen, die Neuauflage des Umweltaktionsprogramms UAP, die noch während der deutschen Ratspräsidentschaft ansteht, gestalterisch zu nutzen. So sollte dem kommenden 8. Umweltaktionsprogramm die Funktion eines Monitoringrahmens zur Umsetzung der Inhalte des „Green Deals“ gegeben werden. Dies hätte den Vorteil, dass er dem Anspruch, seine Ziele – im Sinne eines europäischen Gemeinschaftsprojekts – verbindlich und überprüfbar einzuhalten, auch tatsächlich gerecht wird. Dies betrifft auch die notwendige Nachjustierung im Falle einer Zielverfehlung.

Bislang ist der „Green Deal“ ein reines Projekt der Europäischen Kommission, während das Umweltaktionsprogramm UAP im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren unter Beteiligung von Europäischem Rat und Europäischem Parlament verabschiedet werden muss.

In ihrem Gutachten analysieren die Sachverständigen sieben zentrale Herausforderungen: Klimapolitik, Kreislaufwirtschaft, EU-Wasserrahmenrichtlinie, Verkehrslärm, Mobilitätspolitik, Stadtentwicklung und die Zukunft der europäischen Umweltpolitik.

Im Kapitel zur Klimapolitik zeigen die Mitglieder des Sachverständigenrates, wie die Bundesregierung ihren Zusagen nachkommen kann, zu denen sie sich im Paris-Abkommen verpflichtet hat. In dem Gutachten wird auf die noch zu verbleibende Menge an Treibhausgasen eingegangen, die bis spätesten 2050 schrittweise reduziert werden muss. Dabei wird deutlich, dass dieses Ziel mit der aktuell verfolgten Energieund Klimapolitik der Bundesregierung deutlich verfehlt wird.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen empfiehlt ausdrücklich, dieses „pariskompatible“ Budget zur Grundlage der deutschen und europäischen Klimapolitik zu machen und von dem bisher verfolgten linearen Reduktionspfad abzusehen. Engagierter als geplant zu reduzieren, erlaube langfristig noch Spielräume. Dies erfordere aber, dass die entsprechenden Maßnahmen jetzt angestoßen werden müssten. Ein langsamer Einstieg, der auf steile Emissionsreduktionen in späteren Jahren hoffe, gefährde die Einhaltung des Budgets und der Klimaziele.

Vor diesem Hintergrund bleibt zu hoffen, dass die Empfehlungen der Umweltgutachter*innen von der Bundesregierung aufgegriffen und umgesetzt werden. Denn um den Zusammenbruch der Lebenserhaltungssysteme der Erde zu verhindern, sind die Karten neu zu mischen – im Sinne eines tatsächlichen New Deals.

Joachim Nibbe