„Klimaschutz ist auch eine soziale Frage“

Wohnungsbauministerin Klara Geywitz ist seit Jahren aktive NaturFreundin

© 

Klara Geywitz (SPD) ist Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen und mit ihrer Familie Mitglied der NaturFreunde Potsdam. Im Interview mit Michael Müller für unsere Mitgliederzeitschrift NATURFREUNDIN sprach sie darüber, wie sich Wohnungsbau und Klimaschutz vereinbaren lassen und warum sie sich gegen völkisch-nationale Tendenzen in unserer Gesellschaft engagiert.

Frau Ministerin, liebe NaturFreundin, in deinem offiziellen Lebenslauf stehen die NaturFreunde in der Rubrik Mitgliedschaften gleich an erster Stelle.

Klara Geywitz: Als Brandenburgerin bin ich in der Natur groß geworden – und ich fand eure Arbeit stets toll und wichtig. Als ich Mutter wurde, wollte ich in meinem Wahlkreis auch Veranstaltungen für Kinder anbieten. Da haben mich dann eure Angebote und die Philosophie dahinter einfach überzeugt. Heute haben wir eine Familienmitgliedschaft. Meine drei Kinder sind auch bei den NaturFreunden. Sie lieben das Geocaching, die Schatzsuche in der Natur mithilfe von GPS-Koordinaten.

Die NaturFreunde kommen aus der Arbeiterbewegung. Warum ist der Umwelt- und Naturschutz nicht stärker in Linksparteien vertreten?

Linke engagieren sich schon lange für Natur und Umwelt. Die NaturFreunde sind das beste Beispiel für diese Tradition der Arbeiterbewegung. Diese hatte sich aber vor allem mit dem Widerspruch von Kapital und Arbeit auseinanderzusetzen, hatte die Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung zu verbessern. Den Generationen vor uns erschien die Natur als stark, als grundsätzlich gegeben und nicht gefährdet. Heute wissen wir um die planetaren Grenzen. Wir haben erkannt, dass wir durch die Industrialisierung in eine neue menschliche Epoche, die des Anthropozän, eingetreten sind. Der Mensch muss heute mit aller Kraft gegen den Klimawandel kämpfen, um der Natur willen, aber auch um seine Lebensbedingungen zu sichern. Daher ist Klimaschutz auch eine soziale Frage und sollte Kern der Arbeit aller Organisationen sein, die ihre Wurzeln in der Arbeiterbewegung haben.

Ohne ökologische Modernisierung und ohne soziale Gerechtigkeit gibt es keine gute Zukunft. Wie lässt sich beides verbinden?

Ideologische Grabenkämpfe nach dem Motto „die eine baut und der andere rettet das Klima“ sind überholt. Ich will bauen und meinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Im Gebäudesektor steckt ein riesiges Potenzial für Kohlendioxid-Einsparung. Dafür müssen wir anders bauen, anders heizen und anders mit unseren Flächen umgehen. Wichtig ist eine Debatte über die Art des Wohnens. Alle Effizienzsteigerung nützt nichts, wenn wir stets mehr Wohnfläche pro Person in Anspruch nehmen.

Wir sind ein Verband der Nachhaltigkeit. Wie willst du dich für Nachhaltigkeit einsetzen?

Mein Ressort bietet große Chancen, Nachhaltigkeit konkret zu machen. Wir müssen bauen. Denn Menschen brauchen Wohnraum. Aber ich will den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft. Mehr Umbau statt Abriss und Neubau, mehr Recycling, mehr Bauen mit Holz – das speichert sogar Kohlendioxid in den Gebäuden. Die Stadtplanung muss sich auf den Klimawandel einstellen, auf längere Trockenperioden gepaart mit Starkregenereignissen. Dafür brauchen wir mehr Wasserspeicher in der Stadt. Um Hitzeinseln zu vermeiden, brauchen wir mehr Grün. Stadtgrün und Stadtblau zu fördern, ist sehr wichtig.

Es ist nicht einfach, den Bedarf an neuen und bezahlbaren Wohnungen mit dem Natur- und Ressourcenschutz zu vereinbaren.

Ich setze auf die innovative Bauforschung und Bauwirtschaft in Deutschland und will das serielle Bauen unterstützen. Es ermöglicht einen flexibleren und zeitgemäßeren Umgang mit dem Wohnen. Wo wir heute für Familien mit zwei oder drei Kindern bauen, können wir so in 40 Jahren Grundrisse ändern, um auf der gleichen Fläche altersgerechtes Wohnen zu ermöglichen. Baumodule können umweltschonender rückgebaut und zum Teil recycelt werden. Im Bereich Wohnen spüren jetzt ja alle die steigenden Energiepreise. Wohngeldempfänger*innen bekommen daher einen einmaligen Heizkostenzuschuss. Ein höherer Kohlendioxid-Preis belastet alle. Aber ein geringer Energieverbrauch senkt Heizkosten. Daher fördern wir die energetische Gebäudesanierung, abgestuft nach Energieklassen. Auch bei der Stadtentwicklung ist Energie das Thema der Zukunft. Wir wollen die Erzeugung von Mieterstrom fördern. Dabei können Mieter und Vermieter profitieren. Im Bereich Bauwesen wollen wir bei den Bauprojekten des Bundes noch besser werden. Zudem müssen wir über die Raumordnung Platz für Windenergie schaffen.

Du hast dich stets gegen völkisch-nationalistische Tendenzen in unserer Gesellschaft engagiert. Was motiviert dich dabei?

Kaum etwas macht mich so wütend wie rechtsextreme, antisemitische und völkische Hetze und Gewalt. Ich bin in der SPD und bei den NaturFreunden, weil uns die Achtung der Würde jedes Menschen eint. Wir leben in Zeiten, in denen sich Rechtsextreme international vernetzen und unsere Demokratie aushöhlen wollen. Dagegen wenden sich NaturFreunde und SPD und ihr habt mich beim Streiten für unsere offene Gesellschaft immer an eurer Seite.

Interview: Michael Müller

Ortsgruppe/n