Kampf gegen FCKW: Foron gegen die „Chlorreichen Sieben“

Am 15. März 1993 lief der erste Kühlschrank ohne Fluorkohlenwasserstoff vom Band

Die Apokalypse stand unmittelbar bevor: Auf Plakatwänden spielte der Tod schon in Form eines Schattens mit den Kindern – und warnte vor dem Hautkrebs. „Ozonloch über Europa“ titelte der Spiegel im Jahr 1992 und schrieb: „Das Raumschiff Erde ist nicht nur in jenen entlegenen, dünn besiedelten Regionen in Gefahr, leckzuschlagen, sondern auch in seiner nördlichen Hemisphäre – da, wo es besonders dicht bevölkert ist.“ Konkurrent Focus präsentierte den Rat der Bonner Strahlenschutzkommission: nur noch maximal 50 Aufenthalte in der Sonne pro Jahr (auch Rasenmähen mit freiem Oberkörper oder Ballspielen in Shorts). Und alles wurde schnell schlimmer.

Erste Warnungen vor FCKW wurden ignoriert
Das lag an chlorierten organischen Verbindungen, Stoffen wie dem Flourkohlenwasserstoff, kurz: FCKW. Diese waren seit Mitte der 1930er Jahre großindustriell hergestellt und als Kälte- oder Lösemittel verwendet worden. Erstmals warnten Wissenschaftler 1974 vor deren Auswirkungen auf die Umwelt. Ähnlich wie später bei der Erderwärmung wurden diese Erkenntnisse jedoch zuerst nicht ernst genommen und dann von Industrie und Skeptikern bekämpft.

Erst die Entdeckung des Ozonlochs sorgte 1985 für einen Gesinnungswandel. Binnen weniger Jahre war die Konzentration des Ozons über der Südhalbkugel auf weniger als fünfzig Prozent zurückgegangen. Die Ozonschicht sorgt dafür, dass der UV-B-Anteil der Sonnenstrahlen den Erdboden nicht erreicht. Nur deshalb gibt es den Menschen und das Leben auf der Erde: Ultraviolette Strahlung wirkt bei Lebewesen krebserregend.

Montrealer Protokoll von 1987
Eine UN-Konferenz sollte die Zukunft retten. Im Montrealer Protokoll verpflichteten sich im September 1987 viele Staaten zur drastischen Reduktion ihrer FCKW-Herstellung. „Das Montreal- Abkommen war löchrig wie ein Schweizer Käse. Niemals hätte es die Ozonschicht gerettet“, sagt Mojib Latif, Leiter des Forschungsbereiches Klimadynamik am Helmholtzzentrum für Ozeanforschung: Aber dann gab es so viele Nachverhandlungen, bis das Abkommen solide war. Im Juni 1990 beschloss in London eine internationale Konferenz, die Herstellung und Anwendung von FCKW ab dem Jahr 2000 zu verbieten.

Greenpeace wollte aber nicht so lange warten. Am 15. März 1993 lief bei der Firma Foron in Niederschmiedeberg im Erzgebirge der erste „Greenfreeze“ vom Band: der erste Kühlschrank der Welt frei vom Kühlmittel FCKW. Angeschoben und finanziert von Greenpeace, entwickelt von Albrecht Meyer, Ingenieur für Kältetechnik und Leiter der Abteilung Versuchsfeld bei Foron.

Die Treuhand wollte die Firma liquidieren
Damals waren die DDR und ihre „volkseigenen“ Betriebe gerade abgeschafft worden, von den 5.300 Waschmaschinen- und Kühlschrankarbeitern des unter Treuhandaufsicht gestellten dkk-Werkes waren nur ein paar Hundert übrig. Während die Treuhand die Firma liquidieren wollte, hatte Albrecht Meyer nach einem Weg gesucht, die Arbeitsplätze zu retten – und den FCKW-freien Kühlschrank entwickelt.

Die westdeutsche Konkurrenz der Kühlschrankhersteller wollte ihre Produktion nicht umstellen. Bosch, Siemens, Liebherr, Miele, Electrolux, AEG und Bauknecht – von Greenpeace die „Chlorreichen Sieben“ genannt – unterzeichnen eine „freiwillige Selbstverpflichtung“, mit der das FCKW durch „R134a“ ersetzt werden sollte. Aber Tetrafluorethan schadet der Ozonschicht auf lange Sicht ähnlich wie das FCKW.

540 Angestellte ohne Marketingexperten
Die „Chlorreichen Sieben“ bekämpften nun Foron, die kleine neue Firma im Erzgebirge, in der sich 540 Menschen anschickten, das Ozonproblem der Menschheit zu lösen. Allerdings hatten die keine Ahnung von Marketing oder von Produktkampagnen. Mitte der 90er Jahre schließlich war Foron pleite, wurde von Niederländern übernommen, um dann wieder pleitezugehen. Die Gebäude liegen heute weitgehend verlassen neben dem Flüsschen Zschopau.

Geschichte geschrieben haben Albrecht Meyer und die Foroner dennoch: Nahezu überall auf der Welt hat sich ihre „Greenfreeze“-Technologie durchgesetzt. Und das ist gut so: Erst im Oktober vergangenen Jahres war das Ozonloch mit 26 Millionen Quadratkilometern wieder größer als ganz Nordamerika. Die Regeneration der Ozonschicht wird noch Dekaden dauern. Man kann leicht nachvollziehen, was ohne den FCKW-freien Kühlschrank von Foron und Greenpeace im Jahr 2015 tatsächlich passiert wäre: die Apokalypse.

Nick Reimer
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der NATURFREUNDiN 1-2016.