Internationaler NaturFreunde-Kongress fordert mehr Klimagerechtigkeit

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„Klimagerecht in die Zukunft“ lautete das Motto des 25. Kongresses der NaturFreunde Internationale (NFI), der am 7. Oktober im NaturFreunde-Hotel in Spital am Pyhrn (Österreich) stattfand. 60 Teilnehmer*innen aus 15 Ländern diskutierten die globalen Auswirkungen der Klimakrise und verabschiedeten einen Forderungskatalog an die Industrie- und Schwellenländer sowie konkrete Maßnahmen der Naturfreunde zu mehr Klimagerechtigkeit.

NFI-Präsident Manfred Pils, der mit 100 Prozent der Delegiertenstimmen in seinem Amt bestätigt wurde, betonte die Verantwortung der wohlhabenden Staaten, die nach wie vor den überwiegenden Teil der weltweiten Treibhausgasemissionen verursachen: „Sofortige ambitionierte und verbindliche Maßnahmen zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen sowie die effiziente Unterstützung der vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder und Menschen sind notwendig, um zukünftigen Generationen eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen. Die Unterstützung der Länder des Globalen Südens bei der Bewältigung der Folgen der Klimakrise ist keine Wohltätigkeit, sondern sichert letztlich auch die Zukunft der Menschen im Globalen Norden“.

Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands, unterstrich die Diskrepanz zwischen Hauptverursachern und Hauptbetroffenen der Klimakrise: „Die Folgen des Klimawandels sind auf tragische Weise sozial, zeitlich und regional höchst unterschiedlich verteilt: So liegen zwischen der Verursachung und der vollen Entfaltung der Folgen Jahrzehnte und die Hauptverursacher sind in der Regel nicht die Hauptbetroffenen. Zudem ist eine Anpassung an die Folgen des Klimawandels vor allem den Inselstaaten und tiefliegenden Ländern sowie unzähligen Ländern in von Natur aus trockenen Regionen wie der Sahelzone nicht oder nur begrenzt möglich. Und in den Ländern des Globalen Südens fehlen die notwendigen finanziellen Mittel für die erforderlichen Maßnahmen.“ 

Die Wissenschaft ist sich einig, dass beachtliche Teile der Erde in naher Zukunft infolge von Trockenheit, Hitze, Wüstenbildung und/oder Küstenerosion nicht mehr bewohnbar sein werden. Statt die Länder des Globalen Südens bei der Bewältigung der Folgen der Klimakrise effizient zu unterstützen und wirkungsvolle Maßnahmen zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen zu setzen, scheinen sich die reichen Regionen der Erde in Oasen des Wohlstandes vom Rest der Welt abschotten zu wollen – eine Entwicklung, mit der auch die Gefahr von Klimakriegen wächst. 

Forderungen an die Industrie- und Schwellenländer

Klimagerechtigkeit ist ein Prinzip, das weltweit jedem Menschen, einschließlich der zukünftigen Generationen, das gleiche Recht auf ein intaktes Weltklima zugesteht und zugleich eine gerechte Finanzierung von infolge des Klimawandels notwendigen Maßnahmen anstrebt. Damit das Weltklima nicht aus den Fugen gerät, muss die vom Menschen verursachte Erderwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius beschränkt werden. Das bedeutet, dass jeder Mensch auf der Welt nur maximal zwei Tonnen CO2 im Jahr verursachen darf. Im Jahr 2019 lagen die durch den Energieverbrauch und Konsum bedingten CO2-Emissionen pro Kopf in Deutschland bei 7,9 Tonnen, fast doppelt so viel wie der weltweite Durchschnittswert. Dies steht im krassen Gegensatz zu den von Menschen im Globalen Süden verursachten CO2-Emissionen, die vielfach weniger als eine Tonne pro Jahr ausmachen. Zugleich sind die Länder des Globalen Südens jedoch am stärksten vom Klimawandel betroffen.

Klimagerechtigkeit ist eine Notwendigkeit für die Sicherung eines menschenwürdigen Lebens für alle Menschen! Dafür braucht es eine grundlegende soziale und ökologische Veränderung der bestehenden Verhältnisse in den Staaten des Globalen Nordens und des Globalen Südens.

Die NaturFreunde fordern daher von den Industrie- und Schwellenländern:

  1. die vollständige Umstellung der Energieerzeugung auf erneuerbare Quellen (Wind, Wasser, Sonne, Erdwärme – jeweils im Einklang mit den geltenden Natur- und Umweltschutzgesetzen);
  2. die rasche Reduktion der CO2-Emissionen bei allen industriellen Prozessen im Einklang mit dem EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050;
  3. eine konsequente Verkehrswende mit dem Ziel eines möglichst schnellen Ausstiegs aus der Produktion und Nutzung von Verbrennungsmotoren. Der Ausbau der öffentlichen Verkehrssysteme muss zügig erfolgen und auch im ländlichen Raum und grenzüberschreitend attraktiv gestaltet werden. Dies erfordert eine Konzentration der finanziellen Mittel auf den Ausbau nachhaltiger Mobilität, also Rad- und Fußverkehr, Bahn und öffentliche Nahverkehrssysteme;
  4. eine unverzügliche Transformation der industrialisierten, klimaschädlichen Land- und Forstwirtschaft in Richtung einer ökologisch verträglichen, ressourcenschonenden Landbewirtschaftung;
  5. eine konsequente Wärmewende mit der klimagerechten Sanierung von Wohnungen und Häusern und einem zügigen Ausstieg aus der fossilen Wärmeversorgung und Klimatisierung vorzugsweise durch gemeinschaftliche Lösungen auf lokaler und regionaler Ebene;
  6. den sofortigen Stopp umweltschädlicher Subventionen;
  7. die Regionalisierung der Versorgung, sodass Transportwege und gleichzeitig auch die Risiken von globalen Lieferketen reduziert werden;
  8. die Verhinderung der Verlagerung von CO2-Emissionen in andere Länder (z.B. durch die Verlagerung von umweltschädlichen Produktionsanlagen);
  9. eine umfassende gesetzliche Sorgfaltspflicht für alle Unternehmen, um Umweltschäden und Verletzungen der Menschenrechte entlang der gesamten globalen Wertschöpfungsketten zu verhindern;
  10. die Finanzierung eines globalen, solidarischen Ausgleichs- und Unterstützungsfonds durch die Staaten des Globalen Nordens in Höhe von mindestens zwei Prozent ihres Bruttonationalprodukts für die notwendigen Anpassungsmaßnahmen und die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in den Staaten des Globalen Südens;
  11. eine an humanitären und menschenrechtlichen Standards ausgerichtete Flüchtlingspolitik und die Anerkennung von Klimaflucht als Tatbestand der Genfer Flüchtlingskonvention;
  12. beim notwendigen Umbau der Gesellschaft die besonderen Auswirkungen auf sozial benachteiligte, ausgegrenzte und diskriminierte Menschengruppen zu berücksichtigen und diese bestmöglich zu unterstützen und vor weiterer Ausgrenzung zu schützen;
  13. eine tatsächliche Beteiligung junger Menschen in allen sie betreffenden Lebensbereichen wie in der UN-Kinderrechtskonvention festgelegt.

Der Beitrag der NaturFreunde zur Klimagerechtigkeit

Die NaturFreunde Internationale hat einen Klimafonds eingerichtet, der die Möglichkeit bietet, einen persönlichen Beitrag zu mehr Klimagerechtigkeit zu leisten. Die Spenden fließen zu 100 Prozent in konkrete Projekte der afrikanischen NaturFreunde, welche die Folgen des Klimawandels mildern und die Lebenssituation der Bevölkerung verbessern. 

Zusätzlich sehen sich die NaturFreunde in der Verantwortung, als große zivilgesellschaftliche Bewegung selbst ihren Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels zu leisten. Konkrete Maßnahmen dazu sind:

  • die Forcierung einer möglichst klimaschonenden Anreise zu allen NaturFreunde-Aktivitäten;
  • die voranschreitende Ökologisierung der Naturfreundehäuser und Schutzhüten und ein laufender Ausbau des Angebots an vegetarischen und veganen Gerichten mit regionalen Zutaten;
  • das Setzen von bewusstseinsbildenden Maßnahmen für klimagerechtes Handeln und Nachhaltigkeit;
  • die Unterstützung der von der NaturFreunde Internationale gesetzten Aktivitäten zur Erhöhung der Bekanntheit des Naturfreunde Klimafonds und zur Akquise von Spendengeldern;
  • die Kompensation nicht vermeidbarer Flüge über den NaturFreunde Klimafonds;
  • die Unterstützung friedlicher Klimaproteste und ein klares Nein zur Kriminalisierung von Klimaaktivist*innen.