Interessenvertreter der Allgemeinheit

Warum auch die Umweltverbände auf die Gesetzgebung einwirken

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Manchmal treffe ich Wirtschaftslobbyist*innen, die behaupten, dass in der politischen Landschaft etwas verrutscht sei. Die NGOs seien zu mächtig, hätten beste Zugänge zur Politik und die Öffentlichkeit glaube ihnen alles. Sie selbst hingegen könnten kaum noch Positionen ihrer Auftraggeber durchsetzen. Das sei ungerecht.

Auf meine Argumente, dass die hohe Glaubwürdigkeit der NGOs vermutlich von deren selbstlosem Engagement komme, wird schnell entgegnet: „Es gibt keine guten oder schlechten Interessen. Es gibt nur Interessen.“ Dann sage ich: „Ich spreche von Selbstlosigkeit.“ Dann antworten die: „Selbstlosigkeit gibt es nicht, NGOs vertreten auch nur Interessen."

Ja, gemeinnützige Organisationen wie zum Beispiel die Umweltverbände sind Interessenvertreter. Allerdings vertreten sie nicht eigene Interessen, nicht den Vorteil eigener Mitglieder oder Spender*innen, sondern die Interessen von Pflanzen, Pilzen und Tieren, von Biotopen, der Biosphäre. Manchmal vertreten Umweltverbände auch die Interessen von Menschen, wenn diese zum Beispiel in kaputten Biotopen leben müssen, weil andere ihren Dreck hineingekippt haben. Und immer öfter müssen sie sogar die Interessen von Menschen vertreten, die noch gar nicht geboren sind. Weil deren Interessen weder beim Blick auf die nächste Wahl noch beim Profit eines DAX-Konzerns beachtet werden.

Stefan Diefenbach-Trommer ist Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung

Ja, Umweltverbände sowie andere gemeinnützige Organisationen vertreten Interessen – und sollten das öfter sagen. Wirtschaftslobbyist*innen zum Beispiel nennen sich verschämt politische Berater. Die Lobby-Abteilungen von NGOs heißen Advocacy- oder Planungsabteilung. In kaum einem Spendenbrief steht, dass es Geld für zwei Stellen braucht, um auf die Gesetzgebung einzuwirken. Stattdessen wird für Projekte geworben. Dabei ist gemeinnützige Arbeit politisch – viel politischer, als es scheint. Sie ist politisch, wenn auf Parteien, Parlamente, Regierungen und Bürgermeister* innen eingewirkt wird, um Entscheidungen im Sinne der eigenen selbstlosen Ziele zu erreichen. Sie ist genauso politisch, wenn Kindern die Natur gezeigt wird. Denn dahinter stecken auch Ziele, nämlich das Bild einer Welt zu vermitteln, wie sie sein soll.

Menschen engagieren sich in gemeinnützigen Organisationen, weil sie die Welt besser machen wollen. Was besser als das Jetzt ist, darüber gibt es verschiedene Auffassungen. Was das Beste für die Allgemeinheit ist, das ist ein politischer Streit. Mitglieder, Spender* innen oder Aktivist*innen in Umweltverbänden haben Ziele wie saubere Luft für alle, gleiche Lebensbedingungen für die Enkel-Generation, ähnliche Lebenschancen für alle Menschen.

Und manchmal wechseln auch Aktivist*innen die Seite. Dann werden sie Abgeordnete im Parlament oder Sachbearbeiter*innen in der Verwaltung. Das Ziel bleibt das gleiche, sie wechseln nur die Mittel. Viele machen sogar beides gleichzeitig: In der Stadtverwaltung arbeiten sie als Klimaschutzbeauftragte, in der örtlichen Umweltgruppe schreiben sie Radweg-Konzepte. Sie wechseln nicht die Seiten, weil sie so mehr Geld verdienen können, sondern wegen ihrer Ideale. Manchmal passiert der Seitenwechsel auch andersherum: Die Bürgermeisterin engagiert sich nach Dienstschluss in der Flüchtlingshilfe. Der langjährige Bundestagsabgeordnete wird Geschäftsführer einer neuen NGO. Braucht es auch für diese Seitenwechsel Karenzzeiten? Wird hier durch öffentliches Geld finanziertes Wissen in privaten Nutzen überführt?

Ich finde: Nein, wenn keine exorbitanten Gehälter gezahlt werden. Wechsel und Gehälter sollten transparent gemacht werden. Das zeigt dann nämlich auch, dass gar nicht die Seiten gewechselt werden, sondern nur die Mittel zur Förderung der Allgemeinheit.

Stefan Diefenbach-Trommer