Der internationale Tourismus ist ein großer Klimakiller

Kann man heute noch mit gutem Gewissen in die Ferne schweifen?

Trotz Wirtschaftsflaute und ungeachtet internationaler Krisen ist die Reiselust der Bundesbürger* innen ungebrochen. Nach dem Einbruch in den Corona-Jahren erreichten die Umsätze der deutschen Tourismuswirtschaft vergangenes Jahr wieder das Niveau von 2019. Nur die Zahl der Reisenden blieb nach Angaben des Bundesverbandes der Branche etwas hinter dem Rekordjahr zurück.

Auch das Reiseverhalten hat sich nach dem Einbruch der Jahre 2020 und 2021 wieder normalisiert. Rund 70 Prozent der Urlaubsreisen führten 2023 ins Ausland. Folgt man den alljährlich auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) präsentierten Reiseanalysen der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen, die jeweils auf mehr als 10.000 Interviews basieren, waren Auto und Flugzeug die bevorzugten Verkehrsmittel. Demnach steuerten 46 Prozent der Reisenden vergangenes Jahr ihr Urlaubsziel mit dem Auto an und 42 Prozent flogen in die Ferien.

Ein Klick laedt die NATURFREUNDiN 1-24 als PDF ...Dieser Artikel ist Teil der Titelgeschichte der Märzausgabe der NATURFREUNDiN. Darin geht es auch um klimaschonende Bahnreisen, Grundsätze des nachhaltigen Tourismus und Urlaub in Naturfreundehäusern.
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Der Vorstandschef der Lufthansa konnte zum Jahreswechsel zufrieden auf 2023 zurückblicken. Im dritten Quartal hatten die Buchungen von Urlaubsflügen dem größten europäischen Luftverkehrsunternehmen einen Rekordgewinn beschert. „Das Thema Flugscham hat sich stark versachlicht und reduziert“, stellte Carsten Spohr zudem fest. Für 2024 hofft die Reisebranche auf leicht steigende Urlauberzahlen. Zumindest lag das Volumen der Buchungen für die Wintersaison und auch das Volumen der Frühbuchungen für den Sommer 2024 zunächst über dem Vorjahreswert.

Nachhaltiger Urlaub bleibt ein Wunsch

Mit der Rückkehr des normalen Reisegeschäfts treten die negativen Folgen des Tourismus erneut in den Blickpunkt. Zwar kommen große Reiseveranstalter und Reisemessen kaum noch ohne Bekenntnis zur Nachhaltigkeit aus. Im Urlaub sind die Deutschen aber selten klimaschonend und umweltbewusst unterwegs.

Vergangenes Jahr erreichten nur sechs Prozent der Urlauber klimafreundlich mit der Bahn ihren Urlaubsort und weitere vier Prozent mit Reisebussen. Zudem machte etwa ein Prozent mit dem Fahrrad oder dem Pedelec Urlaub. Laut Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen ist der Wunsch nach einem nachhaltigen Urlaub mittlerweile zwar verbreitet. Gut 40 Prozent der für Befragten sprachen sich für eine ökologisch nachhaltige und knapp 60 Prozent für eine sozial nachhaltige Reise aus. In eine tatsächlich als ökologisch oder nachhaltig zertifizierte Unterkunft führte die letzte Urlaubsreise aber nur bei elf Prozent.

Wer in die Ferien fliegt, wählt das mit Abstand klimaschädlichste Verkehrsmittel. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes gehen fünf Prozent des menschengemachten Klimawandels allein auf den Luftverkehr zurück. Demnach hatte sich bis 2019 die globale Durchschnittstemperatur allein durch Flüge um 0,06 Grad erhöht und Anfang der 2030er Jahre wird das Fliegen für einen globalen Temperaturanstieg um 0,1 Grad gesorgt haben. Dieser Anstieg geht nur zu einem Drittel auf CO2-Emissionen der Flieger zurück. Zu zwei Dritteln tragen die Kondensstreifen der Jets und deren Ausstoß von Stickoxiden zu den Klimafolgen bei.

Der Flugverkehr von und nach Deutschland ist überwiegend Urlaubsverkehr. Auf den Langstrecken sind zu rund 70 Prozent Urlauber* innen unterwegs, auf den Mittelstrecken reisen 60 Prozent in den Urlaub. Nur auf Kurzstrecken überwiegen traditionell Geschäftsreisende. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) erreichten die Passagierzahlen auf den Lang- und Mittelstrecken vergangenes Jahr fast 90 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. Nur die innerdeutschen Flugstrecken, auf denen die Geschäftsreisenden in der Mehrheit sind, verzeichneten 50 Prozent weniger Passagiere als 2019.

Die meisten Treibhausgase verursachen Ferienflüge

Auf dem Weltklimagipfel in Dubai hat das „Tourism Panel on Climate Change“, also das Tourismus-Forum zum Klimawandel, seine erste Bestandsaufnahme der Klimawirkungen des Tourismus veröffentlicht. Dem Forum gehören 70 Klimawissenschaftler*innen und Tourismusmusexpert* innen aus 31 Ländern an. Nach der Bestandsaufnahme stammen weltweit acht bis zehn Prozent aller Treibhausgasemissionen aus dem Tourismus. Vom 1995 bis 2019 sind die Emissionen aus dem touristischen Verkehr um 65 Prozent gestiegen. Zwar sind weltweit nur ein Viertel der Urlaubsreisen Flüge. Diese verursachen aber drei Viertel der Emissionen des touristischen Verkehrs.

Zu den Klimawirkungen des Urlaubsverkehrs kommen Emissionen durch die Errichtung von touristischer Infrastruktur und durch Beherbergungsbetriebe hinzu. Auf der Grundlage des Energieverbrauchs der Betriebe schätzen die Wissenschaftler*innen des Tourism Panel, dass 2019 auf den Betrieb von Hotels 242 Millionen Tonnen Treibhausgase oder rund 0,7 Prozent der weltweiten Emissionen zurückgingen. Pro Hotelzimmer gerechnet sanken die Emissionen von 2017 bis 2019 immerhin leicht. Ursächlich dafür war die vermehrte Nutzung von regenerativ erzeugtem Strom.

Im Durchschnitt 1,6 Tonnen CO2 pro Kreuzfahrt-Passagier

Allein 45 Millionen Tonnen Treibhausgase pro Jahr verursacht der Kreuzfahrt-Tourismus. Bei Kreuzfahren sind Hin- und Rückflug zum Ausgangs- und vom Zielhafen die Regel. Hinzu kommt die Emission der Hotelschiffe selbst. Der Bestandsaufnahme zufolge dauert eine Kreuzfahrt im Schnitt nur 7,2 Tage und dabei fallen pro Passagier*in 1,6 Tonnen CO2 an. Die riesigen schwimmenden Hotels verbrauchen pro Gast zwölfmal mehr Energie als ein Hotel an Land. Kreuzfahrten zählen zu den klimaschädlichsten Formen des Tourismus.

In ihrer Bestandsaufnahme weisen die Wissenschaftler*innen zudem auf die Gefahren hin, die dem Tourismus selbst durch den Klimawandel drohen. Diese reichen von extremer Hitze in bislang bevorzugten Feriengebieten über Schneemangel beim Wintersport oder sterbende Korallenriffe bis hin zum Anstieg des Meeresspiegels, der beliebte Strände zu erodieren droht und ganze Urlaubsinseln versinken lassen kann.

Äußerst skeptisch sehen Klimawissenschaftler* innen die Ankündigungen, den Luftverkehr bis 2050 zu dekarbonisieren. Dies könne man nicht allein durch den Ersatz von Kerosin durch nachhaltige Kraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen erreichen, wie dies etwa in der EU vorgesehen ist. Einen erheblichen größeren Anteil am touristischen Verkehr solle stattdessen der Bahnverkehr gewinnen. „Die Schiene stellt trotz der gegenwärtigen Nutzung fossiler Brennstoffe das emissionsärmste Transportmittel im Tourismus dar“, stellen die Expert*innen fest.

Jürgen Voges

(Dieser Artikel ist zuerst erschienen im NaturFreunde-Mitgliedermagazin NATURFREUNDiN, Ausgabe 1-24.)