Bergführer*innen in Nepal: 30 Kilogramm Gepäcklast ist zu viel

Ein Interview mit NaturFreund Nabaraj Adhikari zu den Arbeitsbedingungen von Bergführer*innen in Nepal

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Seit 2021 haben die NaturFreunde International ein neues Mitglied: Die NaturFreunde Nepal, Sektion Pokhara. Mehrere Jahre schon haben die NaturFreunde aus Pokhara enge Beziehungen mit Berliner NaturFreund*innen. Im Rahmen des Projektes "Global unterwegs" führte Stefan Natke aus dem Landesverband Berlin ein Interview mit dem Bergführer Nabaraj Adhikari zum Thema Arbeitsbedingungen von Bergführer*innen und Träger*innen in Nepal.

Nabaraj, du bist seit 1997 Bergführer und bist Mitglied der NaturFreunde Nepal, Sektion Pokhara. Ihr bietet Wandertouren an. Erzähl bitte etwas über eure Angebote!

Bevor wir darüber sprechen, möchte ich vorausschicken, dass wir hier nicht über die großen Expeditionen reden, die von kommerziellen Firmen organisiert werden und nur das Ziel haben, auf dem Gipfel anzukommen, um mediale Aufmerksamkeit zu bekommen.

Wir NaturFreunde aus Pokhara sind eine Gruppe von Bergführer*innen und Träger*innenn, die nachhaltige Wander- und Trekkingtouren organisieren, die auf die jeweiligen Teilnehmenden zugeschnitten sind. Unsere Touren gehen meistens nur bis zu einer maximalen Höhe von 5.500 Meter über dem Meeresspiegel, also so genannte Hiking Routs. Die bekanntesten davon sind Mount Everest – in Nepali heißt der Berg übrigens Sagarmatha – sowie Manaslu und Annapurna, wobei letzterer genau in unserer Region Pokhara liegt.

Es geht uns vor allem darum, dass unsere Besucher*innen das Leben der Leute hier kennenlernen, Einblick in verschiedene Kulturen bekommen und Dinge daraus mitnehmen, die ihren Horizont erweitern und natürlich die einmalige Naturkulisse hier bewusst erleben. Diese Wanderungen ermöglichen dem Gast, bis zu 59 verschiedene Dörfer kennenzulernen.

Wie sind die Arbeitsbedingungen für euch, wie viele Kilometer lauft ihr am Tag? Wie viele Kilogramm Gepäck sind maximal erlaubt?

Die Länge der Tagesetappen hängt einerseits von der Verfasstheit der Gruppe und andererseits von der Höhe ab, auf der wir uns bewegen. Über 3.000 Meter geht alles viel langsamer. Normal laufen wir zwischen 12 bis 20 Kilometer am Tag, je nachdem, ob es Auf- oder Abstieg ist. Über 5.000 Meter gehen wir maximal 4 bis 5 Kilometer am Tag. Wir stimmen das Pensum aber immer auf die Gruppe ab, mit der wir gemeinsam gehen.

Was die Gepäcklast betrifft, sind gesetzlich 30 Kilogramm erlaubt. Wir in Pokhara halten uns aber an die 20-Kilogramm-Regulierung der TAAN Trekking Agencies' Asociation of Nepal. In meiner Gruppe setzen wir eigentlich immer nur 15 Kilogramm pro Träger*in an. Es gibt illegale Akteur*innen, die über 30 Kilogramm tragen lassen. Die Ausbeutung drückt den Preis und oft sind die Menschen auf das Geld angewiesen, was nicht selten von den Anbieter*innen der Touren ausgenutzt wird.

Wie viele Stunden am Tag darf maximal gearbeitet werden?

Laut Gesetz 7 Stunden, zum Beispiel bei Lehrer*innen. Sonst 8 Stunden. Beim Trekking hängt es von der Höhe ab und geht von 3 bis 8 Stunden täglich. Es gibt immer eine*n Bergführer*in, der*die verantwortlich für die Gruppe ist. Er*sie organisiert alles und legt auch die Tourlängen und Arbeitsstunden, Pausen etc. fest. Es wird alles je nach Gruppe und Wetterlage angepasst.

Was passiert, wenn ein*e Bergführer*in verunglückt, sind sie versichert?

Nabaraj Adhikari auf einer Bergtour
Foto: NaturFreunde Nepal, Pokhara

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Wir sind alle versichert, Bergführer*innen wie auch Träger*innen, darin enthalten sind Hubschraubereinsätze, ärztliche Hilfe, Geländewagen und Pferdetransporte.

Mit wie vielen Bergführer*innen ist eine Reisegruppe von ca. 10 Personen unterwegs?

Für eine Gruppe von 10 Personen sind drei Bergführer*innen und fünf Träger notwendig. Natürlich hängt das auch vom Schwierigkeitsgrad der Tour ab. Es ist nicht dasselbe, eine Annapurnaumrundung zu gehen wie eine einfache Talwanderung von drei Tagen in einfachem Gebiet.

Ihr tragt nicht nur das Gepäck der Reisenden, sondern auch sehr viel Verantwortung.

Ja. Als ich anfing zu arbeiten, war ich auf der Annapurna-Tour über 17 Tage mit zwei Personen. Wir wollten über den Thorong La-Pass (deutsch „Donnerpass“). Dieser befindet sich auf einer Höhe von 5.416 Metern. In Manang, dem letzten Akklimatisierungspunkt auf unserem Weg, schauten wir uns die Wetterprognose für den nächsten Tag an und weil sie gut aussah, begannen wir den Aufstieg. Trotzdem zog es sich plötzlich zu und es fing an zu schneien. Wir versuchten weiterzugehen, mussten dann aber doch irgendwann einhalten und biwakieren. Am nächsten Tag war es uns unmöglich den Weg zu finden, eine Lawine hatte alles verschüttet. Ich entschied, dass wir umkehren und das war auch gut. Später erfuhren wir, dass es bei dem Lawinenabgang viele Tote gegeben hatte.

Kontakt
Friends of Nature Nepal - Pokhara
Dhital - Suikhet Nr.2
Postcode/ Place: Kaski, Gandaki Pokhara
+ 977 98 56 02 32 41
info@fnn.org.np
mtannapurna.nabaraj@gmail.com

Was würdet ihr an den Arbeitsbedingungen ändern, wenn ihr könntet?

Oh, es gibt eine Menge Dinge, die ich gerne ändern würde. Als erstes würde ich das erlaubte Maximalgewicht für die Träger*innen allgemein auf 15 Kilogramm festlegen. Weiter würde ich einen Mindestlohn für Bergführer*innen sowie Träger*innen festlegen, der umgerechnet nicht unter 20 bzw. 16 Euro pro Tag liegen darf. Bisher gibt es keine Festlegungen zu einem Mindestlohn. Und da es privatwirtschaftliche Reiseunternehmen sind, wird immer alles neu verhandelt, je nach Preis, den die Reisenden zahlen. Und ich würde alle Einweggegenstände aus Plastik verbieten mitzuführen, also auch die Plastikwasserflaschen.

Welchen Rat gibst du Menschen mit, die Nepal besuchen möchten?

Für alle, die Nepal besuchen und dort wandern möchten:

  • Schließt keine Tourenbuchungen bei Firmen ab, die nicht aus Nepal sind.
  • Bucht Touren vor Ort oder nehmt im Vorfeld Kontakt zu nepalesischen Agenturen oder zu uns NaturFreunden auf.
  • Achtet auf die Umwelt bei euren Touren! Benutzt keine Einwegtrinkflaschen o. ä.
  • Achtet bei Hygieneartikeln wie Seife, Shampoo und Zahnpasta darauf, dass sie kein Mikroplastik enthalten.

Wir organisieren die geführten Routen dann über verschiedene örtliche Kleinanbieter*innen mit viel Erfahrung. Wir garantieren so einen umweltbewussten Aufenthalt in freundschaftlicher Atmosphäre, bei dem man mit den Menschen hier in Kontakt kommt und nicht nur an ihnen vorbeiläuft. Bringt Zeit mit: Der Weg ist das Ziel.

Interview: Stefan Natke, NaturFreunde Berlin