Solidarität ist keine Einbahnstraße!

Jugendpolitisches Positionspapier der Naturfreundejugend Deutschlands zum Umgang mit den derzeitigen und späteren Folgen der Corona-Pandemie

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Seit unserer Gründung vor fast 100 Jahren bekennen wir uns als Naturfreundejugend zu Solidarität, Nachhaltigkeit und Demokratie. Mit dieser Haltung begegnen wir auch der derzeitigen medizinischen und gesamtgesellschaftlichen Ausnahmesituation.
 
In Folge unterstützen wir ausdrücklich die Maßnahmen, die eine zügige und wirkungsvolle Eindämmung der Corona-Pandemie zur Folge haben und Gesundheit erhalten sowie Leben retten. Mit der Absage aller unserer Ferienfreizeiten, Lehrgänge und Seminare, Maßnahmen der Internationalen Jugendarbeit und der Schließung unserer Geschäfts- und Bildungsstätten über alle Verbandsebenen hinweg, haben wir unseren Beitrag zur Verlangsamung der Virus-Ausbreitung bereits getroffen. Oft bevor wir von Politik und Behörden dazu aufgefordert wurden.
 
Gleichzeitig beobachten wir wachsam, wie die staatlichen Institutionen agieren. Alle Maßnahmen müssen trotz der gebotenen Eile stets angemessen und verhältnismäßig bleiben. Versammlungsfreiheit und europäische Freizügigkeit sind sobald wie möglich vollumfänglich wieder herzustellen. In Zeiten von Nationalismus und Angriffen auf Demokratie und Zivilgesellschaft werden wir nach der Krise signifikant mehr Ressourcen für grenzüberschreitende Arbeit und Demokratieförderung benötigen.
 
Mit Sorge nehmen wir in den letzten Tagen eine zunehmend negative Berichterstattung über uns junge Menschen wahr. Auch viele Amtsträger*innen problematisieren einseitig das Verhalten junger, angeblich feiernder Menschen, ohne zur Kenntnis zu nehmen, wie viele junge Menschen - gerade aus den Jugendverbänden - sich zurzeit zusätzlich ehrenamtlich, beispielsweise in der Nachbarschaftshilfe, engagieren. Insbesondere auch für ältere Menschen. Sie zeigen, wie es geht: Menschen sollten über Generationsgrenzen hinweg zusammen halten und sich nicht gegeneinander ausspielen lassen.
 
Ebenso darf die Dringlichkeit politischen Handelns in ökologischen Fragen nicht aus dem Blickfeld geraten. Die Folgen des Menschen gemachten Klimawandels bedrohen schon heute ebenfalls die Gesundheit und das Leben vieler Millionen Menschen! Wir müssen aus dieser Krise lernen und der bereits erkannten globalen Klimakatastrophe deutlich entschiedener begegnen und endlich konsequent handeln.
 
Wütend und beschämt sind wir über die Tatsache, dass während in der Europäischen Union Billionen an Wirtschaftshilfen in die Hand genommen werden, die Gesundheit der Menschen in Flüchtlingslagern, wie auf Lesbos, den europäischen Staaten offenbar vollkommen gleichgültig scheint. Die Geflüchteten aus diesen Lagern, darunter viele Kinder und Jugendliche, sind umgehend von den EU-Mitgliedsstaaten aufzunehmen!
 
Als Aktive in Jugendverbänden haben wir mit der Absage unserer Veranstaltungen entschlossen und verantwortungsbewusst gehandelt. Dies war für uns auch eine solidarische Entscheidung gegenüber Menschen, die bei einer Erkrankung besonders gefährdet wären. Aus der Bereitschaft, unsere selbstorganisierten Ferienträume aufzugeben, unsere Bildungsbedarfe zu verschieben und unsere Freiräume einzuschränken, darf jedoch kein Nachteil für unsere hauptamtlichen Mitarbeitenden, Honorarkräfte und Kooperationspartner*innen erwachsen.

Niemand darf seiner Existenzgrundlage beraubt werden, weil er verantwortungsbewusst und solidarisch agiert. Solidarität ist keine Einbahnstraße!

Durch unsere Verbandsaktivitäten erleben und erfahren Kinder und Jugendliche Demokratie und gestalten die Gesellschaft aktiv mit. Demokratiebildung und -förderung sind angesichts der antidemokratischen Tendenzen und den rechtsextremen Angriffen heute noch wichtiger als selten zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Deshalb sind die Strukturen der Jugendverbände vollständig zu erhalten.

Infolge fordern wir von Bund, Ländern und Gemeinden die uneingeschränkte Unterstützung unserer Arbeit und die folgenden Maßnahmen für unsere Strukturen:

Soforthilfe für Jugendverbände und deren Bildungsstätten

  • Freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe gehören genauso wie alle gemeinnützigen Träger unter den Corona-Schutzschirm der Bundesregierung. Ihnen sind alle Hilfen bereitzustellen, die auch wirtschaftlichen Betrieben zur Verfügung stehen.
  • Bei behördlicher Schließung von Jugendbildungsstätten, Jugendzeltplätzen und Gruppenhäusern wie z.B. Naturfreundehäusern sollen die anfallenden Betriebskosten übernommen werden.

Förderrechtliche Erleichterungen für die Gewährung und Abrechnung von Zuschüssen

  • In alle unsere Verbandsprojekte sind bereits enorme haupt- und ehrenamtliche Ressourcen in die Konzeption, Planung und Administration geflossen. Deshalb müssen alle Veranstaltungen vollumfänglich wie geplant bzw. beantragt abzurechnen sein. Auch wenn sie digital, zu einem anderen Zeitpunkt oder gar nicht stattfinden können.
  • Durch die Absagen von Veranstaltungen werden bereits eingeplante Teilnehmer*innengebühren fehlen. Diese bilden oft den Grundstock von Eigenmitteln, welche die Erlangung von Zuschüssen erst möglich machen. Solange unsere Veranstaltungen nicht stattfinden können, muss seitens der Förderer auf die Erbringung von Eigenmitteln verzichtet werden.
  • Aufhebung der Zweckbindung von Zuschüssen als Reaktion auf Änderungen der Bedarfe während der Krise.
  • Der durch die Pandemie verursachte Ausfall von Veranstaltungen darf keine Auswirkungen auf eine Förderung in den Folgejahren haben (z.B. durch fehlende Teilnahmetage)