Bericht: die Sicherheit hat höchste Priorität

Wie ein NaturFreund aus Schwäbisch Hall beim Aufbau von Kobanê half

© 

Meinen 68. Geburtstag „feiere“ ich auf staubigen Straßen im irakisch-syrischen Grenzgebiet. Ein Kleinbus fährt meine Begleiter und mich nach Kobanê in der nordsyrischen Region Rojava. Fünf Tage lang hatte die autonome Kurdenregion im Norden des Irak unsere Weiterreise nach Syrien verweigert. Es ist verrückt: Die kurdische Regierung Barzani im Nordirak arbeitet mit der türkischen Regierung Erdogan zusammen.

Doch von Anfang an: Zwischen September 2014 und Januar 2015 tobte der weltweit beachtete „Kampf um Kobanê“ unmittelbar an der Grenze zur Türkei, bis kurdische Selbstverteidigungseinheiten (YPG/YPJ) die Stadt vom Islamischen Staat (IS) befreien konnten. Kobanê war zum Symbol des Widerstands gegen den IS geworden. Doch der faschistische IS hatte die Grenzstadt zu 80 Prozent zerstört. Es gab keine Strom- und Wasserversorgung mehr, keine Krankenhäuser und keine Schulen.

Die „Internationale Koordination revolutionärer Parteien und Organisationen“ (ICOR) beschloss daraufhin, ein Gesundheitszentrum in Kobanê aufzubauen. Erste Aufbauhelfer –sie nannten sich internationale Brigaden – konnten die türkisch-syrische Grenze noch illegal bei Nacht überqueren. Tatsächlich lässt die türkische Regierung gegen internationales Völkerrecht bis heute keine humanitären Aufbauhelfer und Hilfstransporte passieren. Mittlerweile können Helfer nur noch über den irakischen Flughafen in Sulaimaniyah anreisen – etwa 1.100 Kilometer von Kobanê entfernt.

177 Freiwillige aus zehn Ländern bauen mit

Es ist Oktober, als ich in der Stadt ankomme. Ich bin einer von insgesamt 177 Freiwilligen aus zehn Ländern, die gemeinsam mit Bauarbeitern aus Kobanê das neue Gesundheitszentrum bauen. Schon seit Juni haben mehrere Gruppen vorgelegt. Ich werde für die nächsten vier Wochen täglich neun Stunden beim Innenausbau eingesetzt. Wasser- und Stromleitungen müssen verlegt oder Fenster eingebaut werden. Eigentlich bin ich Lehrer, aber auch ein erfahrener Hobbyhandwerker.
Alle Brigadisten haben Anreise und Unterkunft selbst finanziert. Wir essen wie die Einheimischen: viel Kartoffeln, Reis, Nudeln mit Gemüse, ab und zu Obstsalat. Nur einmal gibt es Fleisch. Zum Trinken Wasser und Tee, keinen Alkohol.

Willi Maier ist Mitglied der Ortsgruppe Schwäbisch Hall: wilhelm.maier1@gmx.net
Dokumentarfilm über die internationalen Kobane-Brigaden: www.kobane-brigade.org
Spendenkonto Ausstattung Gesundheitszentrum
„Solidarität International e. V.“ ∙ IBAN: DE86 5019 0000 6100 8005 84 ∙ Frankfurter Volksbank ∙ Stichwort: „Medizin für Rojava“ ∙ mehr Informationen:
www.medizin-für-rojava.org

Die Sicherheit hat höchste Prioritär: Tag und Nacht bewachen uns bewaffnete YPG-Kämpfer, die auch schon unsere Anreise gesichert haben. In der Stadt gibt es immense Sicherheitsvorkehrungen, um neue IS-Anschläge zu vermeiden. Denn in der Region Rojava wird ein demokratisches Gemeinwesen aufgebaut, in dem alle Ethnien und Religionen, auch Frauen und Männer, völlig gleichberechtigt sind. Beschlüsse sind nur gültig, wenn mindestens 40 Prozent Frauen abgestimmt haben. Viele Funktionen wie das Amt des Bürgermeisters werden von einem Mann und einer Frau gemeinsam ausgeführt. Weder dem IS noch der türkischen Regierung gefallen diese Entwicklungen.

Das neue Gesundheitszentrum wird mehrere Arztpraxen, einen Operationssaal, eine Apotheke und einen Röntgenraum beherbergen. Es ist ein gutes Beispiel, wie sich Fluchtursachen bekämpfen lassen, indem man die Bevölkerung vor Ort unterstützt. Seit der IS vertrieben wurde, sind schon etwa 160.000 Menschen in die Region zurückgekehrt.

Teile des Gesundheitszentrums wurden im Januar eröffnet. Spenden für die medizinische Ausstattung sind willkommen.

Willi Maier
Dieser Artikel erschien zuerst in NATURFREUNDiN 2-16.

Weitere Bilder

Kobane Aufbau Willi Maier Galerie

© 
© 
© 
© 
©